In dem quirligen Bus-Terminal von Cochabamba besteige ich mein Gefährt in Richtung Santa Cruz de la Sierra, der größten Stadt des Landes. War bereits die Fahrt durch das Altiplano (siehe auch Von La Paz durch das Altiplano nach Cochabamba..) wunderschön, sollen die nächsten 475 km an Abwechslung kaum zu überbieten sein. Durch die hohen, trockenen Ebenen, umgeben von kahlen Bergen, die spielend die Höhenwerte von 5.000 oder 6.000 m übersteigen, steuert der Bus auf den tropischen Bereich des Landes im Osten zu. Allmählich werden die Höhenmeter reduziert. Die karge Flora der Hochebene wechselt zu einem satten, üppigen Grün. Zahlreiche Flüsse, welche die Tiefebene Boliviens in der Nähe des Amazonas zu einer äußerst fruchtbaren Region werden lassen, stürzen sich die immer kleiner werdenden Berge hinab. Das verdunstende Wasser verhüllt teilweise die grünen Hänge in einen weißen Schleier. Die stetig steigende Luftfeuchtigkeit sorgt dafür, dass auch im Bus-Inneren die Temperaturen allmählich tropische Verhältnisse annehmen. Die ausgefallene Klima-Anlage in dem Gefährt vermissen wohl alle Reisenden.
Dann erreiche ich die auf nur 440 m ü.N.N. gelegene und circa 1,45 Million Einwohner zählende Stadt. Nach dem Höhentraining der vergangenen Wochen ist es geradezu eine Wohltat, mich in niedrigeren Gefilden aufzuhalten und ich beginne voller Elan, die Stadt zu erkunden. 9 Ringstraßen umkreisen die Innenstadt und ich erlaufe die ersten 5. Denn obwohl ich in der einzigen Million-Stadt des Landes bin, ist das Angebot an Sehenswürdigkeiten sehr begrenzt. Einzig die Kirche, gelegen an dem zentralen Plaza 24 de Septiembre, kann als wirkliche Sehenswürdigkeit gelten.
Die Museen der im Vergleich zu anderen Städten sichtbar wohlhabenden Gemeinde sind meist geschlossen. Das liegt wohl daran, dass in den Tagen meines Aufenthaltes der Geburtstag der Stadt La Paz Landesweit gefeiert und auch in Santa Cruz die Konzentration auf den Feierlichkeiten gelenkt wird.
Kleine Festzüge von Menschen in traditionellen Kleidern tanzen zu typischen Klängen der Stadt La Paz. Demonstrationen appellieren an die dort sitzende Regierung mit verschiedene Themen wie Korruption, Bildung oder Armut.
Das Nachtleben in Santa Cruz ist hingegen sehr vielseitig und ich vergnüge mich mit dem Besuch verschiedener Bars und Diskotheken. Und tagsüber laufe ich wieder durch die Ringe der Stadt und entdecke die angrenzenden Stadtteile mit ihrer überwiegend modernen Architektur. Aufgrund der gewonnenen, ausgiebigen Kenntnis der Stadt fühle ich mich ein bisschen als „Herr der Ringe“.
Ohne Ringe unter den Augen nehme ich dann ausnahmsweise wieder Platz in einem Flugzeug. Ziel der Luftreise ist Sucre, die offizielle Hauptstadt des Landes. Statt mit dem Bus über 20 Stunden unterwegs zu sein, dauert es nur circa 50 Minuten, bis ich die 480 km Strecke und 2.350 Höhenmeter absolviert habe. Aus der Vogelperspektive beobachte ich dabei die stetig ansteigende Korreliere der Zentralanden und die gewaltigen Zerklüftungen des in allen Farben schimmernden Gesteins – ein Anblick, von dem ich einfach nicht genug bekommen kann.
In der geschichtsträchtigen, 240.000 Einwohner zählenden aber fast schon verschlafen wirkenden Stadt fühle ich mich auf Anhieb sehr wohl. Zunächst verschaffe ich mir einen Überblick und erklimme viele der zur Verfügung stehenden Aussichtsplattformen. Die Wege führen mich dabei entweder auf den Stadtberg, den Cerro Dalence, auf dessen Gipfel das Kloster La Recoleta (mit Museum) thront oder auf die Dächer der Kirchen, insbesondere auf das der Merced.
Die sehr schmucke und helle Stadt ist wirklich ein Ausflug wert. Die vielen pittoresken, weiß getünchten Gebäude im Kolonialstil verleihen dem Geburtsort Boliviens ein wahrhaft würdiges Antlitz.
Ich wandle durch die Hallen des Casa de la Libertad, in den Simon Bolivar die Gründung des Landes ausgerufen hat und die Unabhängigkeitserklärung von der Spanischen Krone unterschrieben wurde. Über den direkt neben dem Casa gelegenen, zentralen und nach dem Datum der Unabhängigkeit benannten Plaza 25 de Mayo ist es nicht weit bis zu den Kirchen San Miguel und San Fransico. Auch ein Besuch des Museo del Arte Indigena lohnt, erfährt man hier doch alles Wissenswerte über traditionelle Kleidung, die Herkunft und Bedeutung der Farben, Stellung der tragenden Personen je nach Unterteilung der verschiedenen Distrikte des neuen Landes.
Das angeeignete Wissen versuche ich dann in einer abendlichen Show anzuwenden. Die verschiedenen Tänze, Geistesbeschwörungen und ,im besten Sinne des Wortes, heißen Sohlen auf dem Parkett, in den regionalspezifischen Kostümen, untermalt mit der jeweils typischen Musik, reißen das Publikum mit und wirken bei aller Professionalität doch sehr authentisch. Sehr lustig wird es allerdings zum Ende der Veranstaltung, als ich von einer der Tänzerinnen auf die Bühne gefordert werde. Nun, ich gehe davon aus, dass die Deutsch-Bolivianischen Beziehungen trotz meiner Schuhplattler-Einlage nicht gefährdet sind.
So beschwingt und mit viel Rhythmus im Blut verlasse ich die wunderschöne Stadt und mache ich auf zu meinem nächsten Ziel: Potosí als UNESCO-Weltkulturerbe.
Ich werde berichten..
Euer Thilo
Lieber Thilo,
wieder einmal ziehst Du Deine geneigten Leser/innen in den Bann Deiner bildhaften und lebendigen Erzählungen, – illustriert mit fabelhaften Aufnahmen der Sehenswürdigkeiten, sowie der bizarren Landschaften bis hin zum satten, üppigen Grün … einfach F A N T A S T I S C H in Bild und Text gefasst …
Mach weiter so … take care … und weiterhin allzeit Gute Reise, Conny
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On t’aime Thilo!! Bises de Fred Hélène Margot Xavier et ton filleul JULES!!
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