Nach dem Start in Blumenau, einer 8 stündigen Fahrt durch die Nacht und über 600 Kilometer erreiche ich São Paulo mit seinen rund 12 Millionen Einwohnern im Stadtbereich und rund 21 Millionen Menschen in der Metropolregion.
Mit der Wahl meines Platzes im Bus habe ich Glück. Ich sitze in dem Doppeldecker ganz vorne und kann ganz ungehindert den Anblick während der Einfahrt in die gigantisch große Stadt genießen. Alleine von den Randbezirken braucht der Bus ca. 1 Stunde, um das Bus-Terminal zu erreichen. Von dort geht es mit der Metro für nochmal weitere 25 Minuten zum Zentrum, meinem Wohnort für den geplanten, einwöchigen Aufenthalt in der Stadt.
Untergekommen bin ich bei einer fantastisch netten Familie, deren Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Avenida Paulista liegt, der Pracht-Meile der Stadt und Symbol einstigen Wohlstands des Landes. Von hier sind alle Sehenswürdigkeiten für mich sehr gut zu Fuß zu erreichen, auch wenn ich dafür einen Tagesmarsch von bis zu 15 km in Kauf nehme.
Meine ersten Eindrücke der Stadt bestätigen die Erwartungen an die größte Stadt der südlichen Hemisphäre: alles ist an Größe, Anzahl, Masse Vielzahl kaum zu überbieten. Seien es die Häuser, der Verkehr, die Menschenmassen, das Handeln in den Straßen, der Lärm, die Größe der Plätze und der Straßen, das kulturelle und kulinarische Angebot. Zu jeder Zeit und an jedem Ort befinden sich in den überdimensionierten Gebäuden und Freiflächen, Tunneln und Straßen, Gängen und Fußgängerpassagen so unglaublich viele Menschen und Schicksale, dass mir die Beschreibung des Gesehenen in Worten kaum möglich scheint.
Leider ist aber auch die Armut überdimensioniert und viele Leute, die oftmals nur noch die Hose am Körper ihr Eigen nennen, prägen das Bild der Stadt mit. Es erfüllt mich mit Mitleid und den Kleinsten der Armen kann ich zumindest hin und wieder ein bisschen Essen kaufen – ein Trost ist das aber nur schwerlich.
Das Angebot an Sehenswürdigkeiten der Stadt ist enorm. Alleine der Besuch der Museen wie dem MASP (Museu de Arte de São Paulo – dienstags freier Eintritt), der Pinacoteca do Estado de São Paulo, dem Museu Afro Brasil, dem Museu do Futebol im legendären Estádio do Pacaembu sind mir jede Minute wert.
Die Zeit in dem Parque do Ibirapuera genieße ich sehr. Zum Einem kann ich hier der Hektik, dem Lärm und den Menschenmassen in der Innenstadt entfliehen und zum Anderen das von Oscar Niemeyer errichtete Gebäude, dem Auditório Ibirapuera, und das gegenüberliegende OCA (Pavilhão Gov. Lucas Nogueira Garcez) bestaunen. Ich habe das unfassbare Glück, in diesen einzigartigen Hallen alleine zu sein – diese Schönheiten nur für mich zu haben ist ein wahrer Luxus.
Als monumentale oder historische Bauwerke ist das Pátio do Colégio (Museum und Denkmal für Architektur und Kultur), die gigantische Kathedrale Praça da Sé (oder auch Catedral Metropolitana de São Paulo), der Municipal Market of São Paulo (ein leider sehr abgewirtschafteter Gebäudetrakt mit wenig Charme), der Luz-Bahnhof (architektonischer Prachtbau aus vergangenen Zeiten) und das Edifício Copan (ein von Oscar Niemeyer entworfener Wohngebäude-Komplex) hervorzuheben.
Die Liste ist selbstverständlich nicht abschließend und könnte um etliche Namen verlängert werden. Bei der in der Stadt errichten, fast nicht zu beziffernden Menge an Hochhäusern und den zahlreichen historischen Häusern ist mir eine Auswahl nur schwer möglich.
Straßen und Plätze hat die Stadt natürlich auch zahlreiche Bekannte und hiervon nenne ich auszugsweise nur die Rua Augusta (zahlreiche Bars, Restaurants und Clubs – und zufälligerweise nur 2 Minuten von der Wohnung aus gelegen), der Praça Franklin Roosevelt (ein überwiegend von Einheimischen beliebter Platz mit vielen Bars und Clubs), den Cemitério da Consolação (ein wunderschöner, alter Friedhof mit einzigartigen Gräbern reicher Familien, Dichtern, Denkern, Politikern und Künstlern) und das Beco do Batman (viele Häuser und Straßenreihen, die mit kunstvollem Graffiti gestaltet wurden) im Stadtteil Vila Madalena und selbstverständlich die Avenida Paulista. Über knapp 3 Kilometer reihen sich architektonische Schönheiten aneinander, überbieten sich an Höhe und überragen die spärlich erhaltenen Prachtbauten früherer Zeiten.
Alleine die aufgeführten Orte und Namen waren für mich ein bisheriges Highlight der Reise. Verliebt in die Stadt São Paulo aber habe ich mich wegen der tollen, warmherzigen Menschen, den Begegnungen mit ihnen und den gemeinsamen Erlebnissen. Von Anfang wurde ich von meiner Gastfamilie, bestehend aus Telma, Renato und der Tochter Andrea, herzlichst aufgenommen. Sie unternahmen alles, mir meinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Umso schöner ist es, dass sie mich ihren Freunden präsentieren, mich zum Mittagessen bei der Großmutter einladen, mir sehr viel Informationen über die Stadt und das Leben als „Paulista“(so nennen sich die Einwohner gerne selbst) bei langen Gesprächen und ein paar Gläsern Wein mitteilen und, als weiteres Highlight, mich zu den Karneval-Umzügen (den sogenannten blocos) mitnehmen. Für mich als Fastnachtserprobten ist dieses Ereignis lange erwartet und ich werde nicht enttäuscht – tausende Menschen versammeln sich in geselliger Runde, verkleidet nach dem Motto des Umzuges und warten auf den Wagen mit der Musik. Ist dieser eingetroffen, erschallt aus unzähligen Boxen dieselbe und der Tross setzt sich in Bewegung. Es wird lauthals mitgesungen, getanzt und gelacht, getrunken und Unsinn gemacht. Dieser Mix kommt mir aus der Mainzer Fastnacht ziemlich bekannt vor, ist aber aufgrund der sehr sommerlichen Temperaturen, den anderen Verkleidungen und der anderen Musik neu und exotisch – und ich mag es auf Anhieb.
Das Ganze hat Lust auf mehr gemacht und so reise ich weiter…nach Rio de Janeiro – passend zur Zeit der großen Tage des Karnevals.
Die Stadt der Superlative wird mir ewig in Erinnerung bleiben.
Ich werde wieder berichten.
Helau! Euer Thilo
(siehe auch: Stationen und Distanzen)
Hi Thilo – Alaaf aus Mainz 🙂 , aber Rio war definitiv cooler als Mainz !
Gruß
Thomas
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Wenn auch verspätet, aber um so lauter, ein dreifach donnerndes HELAU zurück 🙂
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