Wie in meinem letzten Artikel (siehe Von Ecuador nach Kolumbien und eine Bilanz von einem Jahr Glück..) beschrieben, wird Kolumbianern eine besondere Gastfreundschaft und Herzlichkeit angedichtet. Und ich kann sie bestätigen. An dem Jahrestag meiner Reise bittet man mich unter einem Vorwand, es gäbe Probleme mit der Rechnung, an die Rezeption. Beim Eintreffen finde ich das versammelte Hotelpersonal vor, was mir ein Geburtstagständchen für ein Jahr Reise bringt. Als wäre das nicht schon herzlich genug, gibt es eine Torte, mit meinem Namen, Wein und Blumen. Ich komme aus dem Staunen über das unerwartete Glück nicht mehr heraus und das freudige Grinsen über diese gelungene Überraschung verlässt mich den ganzen Tag nicht mehr. Eine, mein Herz sehr berührende Geste, an die ich mich immer mit großer Freude erinnern werde!
So ganz beseelt mache ich mich auf den Weg zu einem in der Nähe von Pasto liegenden See, der Laguna de la Cocha. Ein Tagesausflug, der sich für mich lohnt. Wunderschöne Natur. Verträumt wirkende, malerische Landschaften. Friedliche Ruhe. Lässiges Sein. Ausgedehnte Spaziergänge. Ich spüre die Entschleunigung des Ortes und atme die frische Luft. Nach den ganzen Stadtaufenthalten ist hier ein Platz der Entspannung.
Das Dörfchen Pueblo Puerto, was Ausgangsort für Boots-Touren auf dem See ist, wirkt verschlafen, hat aber ein bisschen den Charakter von Venedig. Wasserstraßen, die von vielen, einfachen Booten gesäumt werden. Kleine Brücken führen zu bunten, oft auf Stelzen stehenden Häusern, die liebevoll mit Blumen und vielen, kleinen Details zur Betrachtung durch die Touristen hergerichtet sind. In einem der zahlreichen Restaurants stärke ich mich mit frischer Trucha, einem Forellengericht, für den Heimweg. Mit tiefer, innere Ruhe, trete ich diesen dann an.
Viel weiter im Süden liegend, befindet sich das Ziel meines nächsten Tages-Ausflugs. Mit einem Minibus fahre ich nach Ipiales, die Stadt an der Ecuadorianisch-Kolumbianischen Grenze. Hier besichtige ich die Wallfahrtskirche Las Lajas, die auf dem Ort einer Erscheinung im 16. Jahrhundert errichtet und mehrmals vergrößert wurde. Das erst 1947 in seiner heutigen Form fertig gestellte Gotteshaus wirkt sehr imposant, obwohl es in eine Talenge gequetscht zu sein scheint. Die Wand der Dankes- und Bitt-Tafeln, der rauschende Fluss unterhalb und der Wasserfall, der sich eine Bergflanke hinunter stürzt, bilden eine eindrucksvolle Kulisse.
Im Inneren finde ich sehr viel buntes Glas und noch mehr Beleuchtungsinstallationen, die mich stark von der ursprünglichen Bedeutung der Kirche ablenken. Es wirkt sehr kitschig und hat mehr von einer Disco-Lightshow als Ort der Hoffnung. Dennoch sagt mir dieser sehr ungewöhnliche Stil zu und ich bin froh, diese moderne Interpretation eines Gebetshauses kennen zu lernen. In dem, im Sockel der Kirche untergebrachten Museum, erfahre ich mehr über die Geschichte der Erscheinung, die nur von einem kleinen Mädchen gesehen wurde, und über die anschließende Entwicklung des Gotteshauses selbst. Da sage Einer, Glaube versetzt keine Berge..
Völlig zweifelsfrei nehme ich Abschied von Pasto und den herzlichen Menschen des Hotels. Die damit verbundene Wehmut wird durch die folgende, traumhafte Fahrt nach Popayán getröstet. Über 250 km windet sich mein Minibus durch die Anden-Kordilleren, entlang grüner Berge, vorbei an tiefen Tälern mit toller Weitsicht. Spektakuläre Landschaftsbilder breiten sich vor mir aus. Auf der zum Panamerica-Straßennnetz gehörenden Route bestaune verschiedenste, teils eigenartige Fahrzeuge wie die Chiva, bekannt auch als escalera, und entlang des Straßenrandes breitet sich in den immer niedriger werdenden Gefilden üppigste Fauna aus.
Hellauf begeistert erreiche ich die 250.000 Einwohner zählende Stadt auf 1.730 Meter ü.N.N. Und die Begeisterung bricht nicht ab. Popayán entpuppt sich als Juwel der kolonialen Architektur mit historischen Brücken, Palästen, Stadtvillen und zahlreichen Kirchen. Da alles seit jeher in weiß getüncht ist, trägt die Siedlung den Beinamen „die weiße Stadt“. Nach Arequipa (siehe Die weiße Stadt Arequipa feiert Geburtstag..) und Ibarra (siehe Von Ecuador nach Kolumbien und eine Bilanz von einem Jahr Glück..) ist es für mich die dritte, südamerikanische Stadt mit diesem Namenszusatz. Aller guten Dinge sind drei ist mein Motto und ich begebe mich auf Stadterkundung.
Neben der Puente del Humilladero, dem bei einem heftigen Erdbeben zerstörten und wieder errichteten Uhrturm Torre del Reloj, sind das Casa y Museo Guillermo León Valencia, die Iglesia de San Francisco und auch das Theater interessant und sehenswert. Als ich in den Abendstunden mir eigentlich nur das malerische, durch schöne Beleuchtung in Szene gesetzte Gebäude der Kunsthochschule ansehen möchte, werde ich von der Musikprofessorin spontan zu einem Inhouse-Konzert eingeladen. Und dankbar lausche ich gekonnten, mitreisenden und fröhlichen Klängen Kolumbianischer Musik von einem Orchester bestehend aus Xylophonen, Rhythmusinstrumenten und anderen Klangkörpern. Für mich eine Uraufführung der besonderen Klasse und ein Einblick in lokale Traditionen.
Beseelt, entspannt, begeistert und nun auch beschwingt setze ich meine Reise in den Norden des Landes, welches meine Erwartungen bisher mehr als erfüllt und mir ein tolles Lebensgefühl vermittelt hat, fort. Ich steuere die berühmt-berüchtigte Stadt Cali an.
Ich werde wieder berichten..
Euer Thilo
(siehe auch Stationen und Distanzen)
Ein Gedanke zu “Ein See, eine Kirche und wieder eine weiße Stadt..”