Von der Hauptstadt Ecuadors, Quito (siehe Die höchst gelegene Hauptstadt der Welt als nächstes Highlight: Quito..), geht es für 115 km weiter in den Norden. Zu meiner letzten Station in dem Land am Äquator. Nach Ibarra. Die 110.000 Einwohner zählende Stadt liegt auf 2.200 Meter ü.N.N. in den Anden und trägt den Beinamen „die weiße Stadt“, wie Arequipa im Süden Perus (siehe Die weiße Stadt Arequipa feiert Geburtstag..). Ende des 19. Jahrhunderts zerstörte ein gewaltiges Erdbeben einen Großteil der Gebäude, die anschließend in einer Kolonialstil ähnlichen Architektur wieder errichtet und einheitlich weiß gestrichen wurden.
Die Sehenswürdigkeiten wie die beiden zentralen Plätze Parque de la Merced und Parque Pedro Moncayo, der Mercado Central, die Straßen des historischen Zentrums und die wenigen Kirchen habe ich bald in Augenschein genommen. Weitere Ausflugsziele in der Nähe wie die Gemeinde Otavalo, an einem See gelegen, oder eine Wanderung auf dem Vulkan Cotacachi ,kann ich wegen einer starken Erkältung nicht ansteuern. So ruhe ich mich aus, schlendere durch das Museo del Banco Central und das Torreón, oder lasse einfach die Aussicht von der Dachterrasse meines Hotels auf mich wirken.
Genesen, aber wegen des bevorstehenden Abschieds ein wenig an Melancholie leidend, mache ich mich mit dem Bus auf die letzte Etappe zur Grenze. Nach Tulcan, der Grenzstadt zu Kolumbien. Auf der Fahrt dorthin präsentiert sich das Land nochmal mit fantastischer Kulisse und ein letztes Mal blicke ich auf die sehr grünen, Ecuadorianischen Anden.
Mit Ecuador verlasse ich ein Land, dass mir ausgesprochen gut gefallen hat. Die großartige Vielfalt der Natur, die abwechslungsreichen Landschaften, die sehr beeindruckenden und architektonisch gelungenen Städte und nicht zuletzt die zahlreichen Begegnungen mit teilweise sehr liebenswerten, freundlichen und Willkommen heißenden Menschen tausche ich ein gegen das Land Nummer 8 meiner Reise. Kolumbien.
Über eine, eine tiefe Schlucht überspannende Brücke, gehe ich, nach Erledigung der Ausreiseformalitäten, zu Fuß zum Grenzposten des Landes, was für seine eher düstere, von Kriminalität geprägte Vergangenheit berüchtigt, aber erst recht für seinen kulturellen Mix, ausgeprägte Lebensfreude, tolle Feste und für traumhafte Strände an der Pazifikküste und am Karibischen Meer bekannt und beliebt ist.
Meine erste Station ist die Stadt San Juan de Pasto. Die kolumbianische Hochburg des Karnevals, der zu Jahresbeginn Touristen zu Scharen in die Gemeinde lockt, zählt rund 370.000 Einwohner und liegt auf einer Höhe von 2.530 Meter ü.N.N., zu Füßen des aktiven Vulkans Galeras. Sie gilt als eine der ältesten Siedlungen des Landes. Aber nur vereinzelt weisen die Gebäude zwischen dem modern gestalteten Plaza de Carnaval und den Kirchen auf die historische Bedeutung der Stadt hin.
Ich beschließe, noch ein paar Tage in Pasto zu bleiben. Wie in jedem, mir neuem Land, nehme ich mir beim ersten Halt ein wenig mehr Zeit, um mich mit den Lebensbedingungen vertraut zu machen, die Währung kennen zu lernen, meine Technik auf die Standards des Landes einzustellen, die Besonderheiten der Spanischen Sprache in Erfahrung zu bringen und den Rhythmus des Alltags aufzusaugen. Dieses Mal ist es mir besonders wichtig, werde ich doch hier mein zweites Weihnachtsfest als Reisender erleben. Habe ich das letzte Jahr noch in Uruguay mit Freunden gefeiert (siehe Weihnachten in Uruguay und das Sommerleben..), werde ich dieses Mal mit meinem Bruder Dominic und meiner Schwägerin Sandra Heilig Abend verbringen. Die Vorfreude ist riesig, denn nach einem Jahr Reise habe ich Sehnsucht, zumindest einen Teil meiner Familie mal wieder sehen und in die Arme schließen zu können.
Ja, ein Jahr Reise. Vor 365 Tagen bestieg ich voller Erwartungen, Sehnsüchten, Vorfreuden über die Erfüllung von Lebensträumen aber auch Ängsten den Flieger, der mich über Madrid in die Hauptstadt Uruguays, nach Montevideo bringt. Meine, vor Reiseantritt, ersonnene Planung der Route hat sich bereits nach zwei Wochen als obsolet bewiesen. Seit Betreten des Südamerikanischen Kontinents kam alles ganz anders als gedacht. Es hat sich eine Reise entwickelt, die durch meine, täglich aufs Neue beginnende, Freiheit zu spontanen und vielfach glücklichen Entscheidungen geprägt ist. Sie ist zu einer Traumreise geworden.
Nüchtern, in aufzählenden Fakten: 8 Länder, 55.965 km (davon: Bus 31.345 km, und viele davon auf den meisten Hauptstraßen der Panamericana/Flug 24.620 km), 89 Orte, geschätzte 2.000 km zu Fuß, zwei Mal am südlichen Ende der Welt und jetzt am nördlichen Ende des Subkontinents, vom Atlantik zum Pazifik, von 0 bis 5.150 Meter ü.N.N., mehrfacher Wechsel zwischen 3 Zeitzonen.
Es sind aber vielmehr die nicht quantifizierbaren Elemente, die diese Reise so unbeschreiblich aufregend, einzigartig, mitnehmend und interessant machen. Die unzähligen Begegnungen mit Menschen aus anderen Erdenkreisen, mit ihren Wünschen und Hoffnungen, ihren Nöten und ihren Lösungen. Dem Kennenlernen von Alltäglichem anderer Kulturen. Das Eintauchen in Fremdartiges, was dann Teil von mir wird und mir dann so vorkommt, als war es schon immer da. Die Integration unter Wahrung meiner Identität und meiner Bedürfnisse. Es ist ein ständiges Lernen, ein Studium der Menschheit. Ein Aufsaugen von Ideen und Konzepten. Ein beständiges Akzeptieren von anderen Regelwerken, Prinzipien und Prioritäten. Es ist manchmal auch ein Vermissen, ein Dürsten und unerfülltes Wünschen. Meist ist es aber das Loslassen. Die Reduzierung auf das Wesentliche. Das Lächeln und das Lachen. Das Eins werden mit der Welt. Das Besondere. Das Leben. Das Glück.
Meine Reise geht weiter.
Ich werde wieder berichten..
Euer Thilo
(siehe auch Stationen und Distanzen)
2 Gedanken zu “Von Ecuador nach Kolumbien und eine Bilanz von einem Jahr Glück..”