Flug mit dem Kondor durch das Colca-Tal und mehr Spektakuläres..

Wie bereits in meinem letzten Beitrag angekündigt (siehe Die weiße Stadt Arequipa feiert Geburtstag..) möchte ich, wie fast alle Touristen in Arequipa, das Colca-Tal besuchen. Für dieses Unterfangen buche ich eine Tages-Tour bei einem der zahlreichen Reiseanbieter. Eigentlich graust es mir vor solchen Massentouristen-Veranstaltungen, habe ich doch immer das Gefühl, dass mir für das Geld relativ wenig geboten wird und diese für die Unternehmen lediglich eine Gelddruckmaschine. Um aber die Besonderheiten der Region sehen zu können, schließe ich mich der Reisegruppe an.

Bereits um 2h30 morgens werde ich von dem Bus von meinem Hotel abgeholt und dieser nimmt die Fahrt, nach Einsammlung der anderen Besichtigungswilligen, auf. Die Zeit bis zum Sonnenaufgang versuche ich, meinen Schlaf, mehr oder weniger gekonnt, fortzusetzen. Sonderlich gut gelaunt bin ich nicht. Das angebotene, einfache Frühstück in einem anderen Hotel entlang des Weges überzeugt mich immer mehr, dass ich mit meiner Meinung zu den Tages-Touren richtig liege. Noch mehr fühle ich mich bestätigt, als ich am Eingang zum Colca-Tal als Europäer 70 Soles zahlen soll. Lateinamerikaner nur 40, Peruaner nur 20. Wenigstens ist die Reiseleiterin sehr freundlich und stets engagiert, uns mit allerlei Informationen zu versorgen.

Sie berichtet, dass das Colca-Tal mit seinen bis zu 3.300 m die 4. tiefste Schlucht der Welt ist und bereits vor etlichen Tausend Jahren von Menschen besiedelt wurde, die bis in die Neuzeit aufgrund mangelnder Straßenverbindung recht isoliert gelebt haben. Des Weiteren referiert sie über die Fauna der Region und über das Wahrzeichen – den Kondor. War dieser König der Lüfte vor einigen Jahrzehnten noch vom Aussterben bedroht, ist die heutige Population auf circa 70 Tiere angewachsen.

Erste Station des Tages ist dann auch das Cruz del Condor, eine Aussichtsplattform, von der man einen tollen Blick über das Tal und die, die Morgenthermik ausnutzenden, Aasfresser haben soll. Und es ist auch so. Vor mir, und den mehreren hundert anderen Touristen, breitet sich diese gewaltige und wunderschöne Kulisse aus. Mit gezückter Kamera warte ich darauf, den Riesenvogel mit einer Spannweite von bis zu 3 m, einem Gewicht von maximal 12 kg und einer Lebenserwartung von bis zu 70 Jahren, beim Gleiten betrachten zu können. Diesen Geier sehe ich aber nicht. Schon vor dem Tag hatte ich die Ahnung, dass ich den Kondor nicht zu sehen bekomme. Und weil ich das erwartet hatte, ist die Enttäuschung auch nicht besonders ausgeprägt. Ich begnüge mich, die wunderschöne Natur zu beobachten und entdecke auf weit entfernten, sehr steilen Hängen Pfade ehemaliger Bewohner. Beeindruckend, wie den unwirtlichsten Gegenden Lebensraum abgewonnen wurde.

 

Und dann erscheinen sie doch. Die scheinbar schwerelos fliegenden, fast gänzlich ohne Flügelschlag auskommenden, Giganten der Lüfte. Immer höher ziehen sie ihre Kreise, bis sie letztlich über die Köpfe der raunenden und begeisterten Menge schweben. Bis zu 9 Geier drängeln sich plötzlich vor meine Linse und ich bin wie selten so froh, mich in meiner Erwartung so getäuscht zu haben.

Schon fast ganz versöhnlich gestimmt, besteige ich wieder den Bus und weiter geht die Fahrt zum nächsten Aussichtspunkt. Von hier aus sehe ich nicht nur weitere Kondore, die mich jetzt scheinbar schon verfolgen, sondern die vor einigen hundert Jahren angelegten Terrassen, auf denen auch heute noch allerlei Obst und Gemüse angebaut wird. Die so bunt gestalteten Berge, verziert mit einem Fluss, steigern meine Laune immer weiter und ich bin bereits jetzt überzeugt, dass sich die Tages-Tour gelohnt hat.

Die Fahrt nach dem Mittagessen wieder aufnehmend, steuert der Bus die nächste Aussichtsplattform an. Mühsam geht es stetig bergauf, immer höher und höher, bis schließlich das angestrebte Hochplateau erreicht ist. Durch eine Ebene, die wahrscheinlich so auch auf dem Mond zu finden ist, werden die letzten Kilometer absolviert, als plötzlich eine starke Windhose, für mich ein kleiner Tornado, neben dem Bus wirbelt. Ein Phänomen, dass ich bisher nur selten beobachten konnte. Es wird ja immer besser. Und dann, auf 4.910 m ü.N.N. genieße ich den Blick über eine wunderschöne, karge aber fast lebensfeindliche Landschaft, die von drei Vulkanen umrahmt wird. Auf dem Weg zurück zum Bus bemerke ich ein schnell aufsteigende Wolke. Ist das etwa ?? Ja, es ist eine beginnende Eruption eines der Vulkane. Mein Glück kaum fassend, befindet sich meine Stimmung nun auf dem Höhepunkt. Für heute habe ich viel mehr gesehen als gedacht und die Rückreise nach Arequipa kann angetreten werden.

Es bleibt noch Zeit, eine riesige Alpaka-Herde vor einem malerischen Bergpanorama aus nächster Nähe zu fotografieren, bevor die Fahrt weitergeht. Bis der Bus unvermittelt diese unterbricht und die Reiseleiterin aufgeregt unseren Blick auf eine Vicuña-Herde richtet. Diese sehr selten in Augenschein zu nehmende Tier, auch als National-Tier Perus bekannt, ist eine Wildform des Alpakas und Lieferant sehr teurer Wolle.

Mir reicht es, ich will nach Hause. Meine Aufnahmefähigkeit für heute ist vollkommen erledigt. Erschöpft vor lauter glücklichen Momenten, tollen Bildern und vielem Spektakulären erreiche Arequipa. Nach dem Erlebten nehme ich mir fest vor, „den Tag nicht mehr vor dem Abend zu loben oder zu verfluchen“ und den Tages-Touren künftig unvoreingenommen eine Chance zu geben.

Noch am selben Abend steige ich in den nächsten Bus. Es geht zu etwas unglaublich Mystischem: den Linien von Nasca.

Ich werde berichten..

Euer Thilo

(siehe auch Stationen und Distanzen)


2 Gedanken zu “Flug mit dem Kondor durch das Colca-Tal und mehr Spektakuläres..

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