Nochmal zum Ende der Welt und die Türme des blauen Himmels..

Santiago de Chile lasse ich hinter mir und besteige das Flugzeug. Ich überfliege die südlichen Korrelieren der Anden, deren Gipfel immer mehr abflachen. Ziel ist Punta Arenas, die südlichste Stadt Chiles. Nur noch wenige Kilometer sind es von hier zum Kap Horn. Meine Sehnsucht nach Patagonien und nach Feuerland, nach einzigartiger Natur und unendlichen Weiten, ist trotz des Besuches von Ushuaia in Argentinien (siehe auch Durch Patagonien und Feuerland zum Ende der Welt..) noch nicht gestillt und so statte ich dem Ende der Welt einen zweiten Besuch ab. Außerdem ist es von dieser Stadt nicht mehr weit nach Puerto Natales, der Ausgangspunkt für Besichtigungen des für Südamerika so bekannten Nationalparks Torres del Peine.

Punta Arenas selbst ist eine übersichtliche Stadt. Alles wirkt sehr entschleunigt und entlang der planquadratischen Straßen sehr geordnet. Das Bild der Siedlung ist wider Erwarten ausgesprochen ansehnlich. Viele Bauwerke aus der Blütezeit lassen insbesondere den zentralen Platz fast schon mondän wirken.

Ein unwirklicher Ort inmitten einer isolierten Gegend. Die nächste nennenswerte Siedlung, Puerto Natales, ist erst nach einer dreistündigen Fahrt zu erreichen. Sehenswürdigkeiten oder Museen bietet Punta Arenas sonst kaum. Da werden selbst die kunstvoll geschnittenen Sträucher und Bäume und andere, den widrigen Lebensumständen trotzenden, Pflanzen zu Betrachtungsobjekten.

Ein Ort ist dann aber doch bemerkenswert: die Stadt beziehungsweise deren Einwohner rühmen sich gerne, einen der schönsten Friedhöfe der Welt zu haben. Und es ist wahr. Die von akkurat geschnittenen Bäume säumen die Wege und umgeben schützend die teilweise monumentalen Bauwerke der Grabstätten.

Selbstverständlich gehe ich auch zum Hafen, an dem in der Vergangenheit mutige Seefahrer nach einer gefährlichen Fahrt um das Kap Horn endlich wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Oft genug sind die Umrundungen gescheitert und auf Tafeln am Ufer werden die größten Unglücke eindrücklich beschrieben. In der Gegenwart steuern einige Frachtschiffe und im Sommer vermehrt Kreuzfahrtschiffe den Hafen an. Aber auch Fähren verbinden zweimal wöchentlich Punta Arenas mit der wirklich letzten Bastion der Menschheit, Puerto Williams.

Mit dem Bus geht es in das nördlich gelegene Puerto Natales. Zugegebenermaßen ist der Bus von heute wesentlich komfortabler. Die spektakuläre Aussicht ist aber die Gleiche. Unendliche Weiten, riesige Ebenen breiten sich vor mir aus. Hin und wieder ist eine Ansammlung von Häusern zu sehen, die Herberge für die über das Vieh wachenden Gauchos sind. Ansonsten hat der Mensch hier nicht die Oberhand gewonnen und die Natur liegt fast unberührt und sich überlassen im Blick des Betrachters. Eine Besonderheit ist ein unvermittelt auftauchender Berg. Für mich ist er die Chilenische Antwort auf den Australischen Ayers Rock, dem Uluru.

Dann erreiche ich Puerto Natales und bin gleich ganz begeistert von der in der Wintersaison nur circa 20.000 Einwohner zählenden Gemeinde. Sehr überschaubar, alles ist zu Fuß sehr gut zu erreichen und sehr nett anzusehen. Die touristischen Machenschaften im Sommer sind nicht zu übersehen, mindern aber den Wohlfühlcharakter nicht im Geringsten. Viele kleine Details gibt es zu sehen. Unter anderem auch Wegweiser, denen im Falle eines Tsunamis schnellstens nachzugehen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Flutwelle die Kleinstadt gefährdet, ist allerdings gleich Null. Dennoch müssen alle Chilenischen Gemeinden, die an den Ufern eines Gewässers liegen, einen solchen Fluchtweg ausweisen.

Dieses Gewässer schaue ich mir ebenfalls an. Mein Blick schweift über eine traumhafte Kulisse. Ein alter Steg, dessen Stümpfe von den Vögeln als Raststätte in Beschlag genommen werden. Vor Anker liegende Boote. Ein Wasser, was insbesondere in den Abendstunden seine Farbe ändert. Alles umgeben von teilweise schneebedeckten Bergen. Fast schon eine mystische Schönheit. Mir fällt es schwer zu glauben, dass diese Region „Ultima Esperanza“ heißt. Dieser Name kommt aber von dem verzweifelten, letzten Versuch der Seefahrer früherer Zeiten, eine Durchfahrt durch Feuerland zu entdecken, die eine Umrundung von Kap Horn erspart.

Der Tagesausflug in den Nationalpark „Torres del Peine“ wird mir jedoch in besonderer Erinnerung bleiben. Ein Tag voller Erlebnisse.  Diesen habe ich auch meinem privaten Guide Francisco zu verdanken, der mich nicht nur während meines Aufenthaltes bei sich beherbergte, sondern sich aufgrund seiner umfassenden Kenntnis des Parks für mich als wahrer Glücksfall erweisen sollte.

Zunächst erfolgt ein Besuch einer circa 200 Meter tiefen Höhle. Benannt ist diese nach dem Riesenfaultier Mylodon, dessen Überreste in der durch einen Gletscher verursachten Bodenausschabung gefunden wurden. Auch heute findet man dort und im gesamten Park Fossilien und Knochenreste einstiger tierischer Bewohner.

Vorbei an zahlreichen Seen, Flüssen, kleinen Wasserfällen und Wäldern nähern wir uns diesem Gletscher, der sich heute schon weit zurück gezogen hat, jedoch noch eine Höhe von bis zu 600m aufweist. Da das Wetter an diesem Tag sehr wechselwütig ist, bleibt mir allerdings der Blick auf diesen Gletscher verwehrt. Nur vereinzelte Bruchstücke treiben auf mich zu. Dafür peitscht ein Wind über die Aussichtsplattform, der ein normales Stehen kaum möglich macht. Trost ist, dass durch den verdeckten Himmel das Eis besonders Blau schimmert. Den Gletscher selbst kann ich später noch aus der Ferne erkennen.

Und gerade dieses unbeständige Wetter sorgt dafür, dass an diesem Tag nur ganz wenige Touristen den Park durchstreifen und sich die Tiere aufgrund der wenigen Fahrzeuge bis an die Straßen trauen. Ich komme mir vor wie in einer Afrikanischen Safari, als eine Horde von Guanakos sich direkt um unseren Jeep tummelt und ich bequem sitzend die Tiere studieren kann. Für mich ein besonderes Erlebnis. Dazu beobachte ich den ganzen Tag riesige Adler und Geier, Hasen und andere Kleintiere. Nur den dort lebenden Puma konnte ich nicht entdecken. Wahrscheinlich waren ihm die eisigen Temperaturen und heftigen Winde Grund genug, in seiner Höhle zu bleiben.

Und dann sehe ich die „Türme des blauen Himmels“ (übersetzt aus der Einheimischen Sprache). Mächtige Gipfel, die sich an diesem Tag eher von einem grauen Himmel absetzen, deswegen aber umso sagenhafter erscheinen. Im Erdgeschichtlichen Vergleich sind diese mit ihren rund 12 Mio. Jahren aber noch richtig jung aber vergleichsweise schon richtig hoch. Einfach imposant und für mich zutiefst beeindruckend. Selbst der die Bergformation teilweise umgebende Wald hat etwas Mystisches und ich fühle mich an den „Fangorn Wald“ aus „Herr der Ringe“ erinnert. Von mehreren Standorten und Winkeln kann ich alles beobachten und bestaunen. Mein Führer ist großartig und bringt mich an Standorte, die ich in großen Gruppen nie gesehen hätte, erzählt mir über die Geschichte des Parks und über die von Touristen gelegten Feuer, die großflächige Zerstörungen hinterlassen haben – und sorgt sich den ganzen Tag um mein leibliches Wohl. Der Besuch dieses Parks sollte für jeden Südamerika-Tourist ein „Must-Do“ sein – für mich stellt er die Komplettierung meiner Reise in Patagonien dar.

Der Tag ist noch nicht zu Ende. Auf unserem Rückweg hält Francisco erneut an und bietet mir so die Möglichkeit, einen fantastischen Mondaufgang zu beobachten. Dazu die  sagenhafte Natur. Ich komme mir vor wie auf einem anderen Stern.

Als wäre das alles noch nicht genug, sehe ich auf der Weiterfahrt noch eine sehr nahe Sternschnuppe. Und leider auch einen Unfall. Ein Kleintransporter versucht, einem auf die Straße rennenden Guanako auszuweichen, trifft es aber noch und landet über die ansteigende Böschung fahrend auf dem Dach. Dem Fahrer ist nichts passiert, aber das Tier können wir nur noch verletzt von der Straße ziehen. Die gerufenen Ranger kümmern sich um das Wohl des Guanako-Weibchens.

Ein wirklich ereignisreicher Tag geht zu Ende. Ich bin ausgesprochen glücklich, das alles zu erleben. Diese einzigartigen Erfahrungen nehme ich mit auf meine Reise in den Norden des Landes. Von dort werde ich wieder berichten.

Euer Thilo

 

 

 

 

 

 

 

 


4 Gedanken zu “Nochmal zum Ende der Welt und die Türme des blauen Himmels..

  1. … gibt es eine Steigerung von WUNDERVOLL ? Krass guter Bericht und sagenhafte Aufnahmen mit Entschleunigung PUR 🙂
    LG Conny

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  2. Thilo !! Hermoso !! tu Blog , Muy lindas las capturas de las fotos , los paisajes !! tus ojos es muy observador de las bellezas creadas por Dios. Felicitaciones!!!

    Vanesa Balastegui ( Fantástica 🙂 )

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