Durch Patagonien und Feuerland zum Ende der Welt..

Nach meinem recht langen Aufenthalt in Cordoba (siehe Buenos Aires, Salta und Cordoba in spezieller Mission..) zieht es mich in die Ferne des Südens. Ich besteige den Bus, der mich in einer knapp 18 stündigen Fahrt in das rund 1.530 km entfernte San Carlos de Bariloche bringen wird. Weniger die dort zu findenden Skigebiete um den Cerro Catedral, noch der See Nahuel Huapi und die an den Ufern und den umgebenden Bergen sich ergebenden Wandermöglichkeiten, und auch nicht die zahlreichen Schokoladenfabriken sind für mich der Anziehungspunkt – dieses Mal ist für mich der Weg dorthin das Ziel. Denn mit jedem gefahrenen Kilometer dringe ich tiefer in das von mir so sehnsüchtig erwartete Patagonien ein. Die immer karger werdende Landschaft, die vor mir liegenden Ebenen und Plateaus, die spezifische Flora, die unterschiedlichen Farben sind beeindruckend.

Stundenlang betrachte ich diese einzigartige Naturform und kann mich einfach nicht satt sehen. Waren es zu Beginn der Fahrt eher Pampa-Sträucher, die in meinen Blick geraten, sind es gegen Ende der Reise eher schroffe Felsformationen, die sich in dem Wasser der zahlreich existierenden Flüsse und Seen widerspiegeln.

San Carlos de Bariloche selbst liegt an den Ufern eines Sees, der sich bis in das Nachbarland Chile erstreckt. Es wirkt alles sehr touristisch und in der Nebensaison irgendwie auch trostlos. Nichtsdestotrotz genieße ich die Spaziergänge entlang der Böschungen. Der Wald auf den Hängen der das Gewässer umgebenden Anden ist in ein prächtiges Farbspektakel aus Rot, Gelb, Braun und Grün getaucht – Indian Summer auf Argentinisch.

Nach nur kurzer Zeit des Ruhens nehme ich den nächsten Bus. In aller Frühe geht es für mich für weitere 1.420 km Richtung Süden zu der Kleinstadt El Calafate. Hauptattraktion dort ist der Gletscher Perito Moreno – der Größte seiner Art in Argentinien. Aber auch für diese Fahrt gilt das Motto „der Weg ist das Ziel“ und wiederum bestaune ich über Stunden die einzigartige Schönheit der Natur, einen romantisch schönen Sonnenauf- und Untergang, unendliche Weiten und einen Regenbogen.

Patagonien lässt sich Allerlei einfallen, um den Reisenden die Fahrtzeit abwechslungsreich zu gestalten.

Und wie fast immer kann ich, obwohl gebotenen Komfort, in dem Bus nicht wirklich schlafen – und sehe, wie der Bus in der Mitte vom Nirgendwo inmitten der Nacht die Kollision mit dem Wildpferd nicht mehr verhindern kann. Der Schlag weckt den ganzen Bus auf. Das Pferd findet nach qualvollen Minuten den Tod, der Bus trägt lediglich einen Rahmenschaden davon. Nach einigen Stunden des Erholens setzen die geschockten Chauffeure die Fahrt fort. Auf ein Ersatzfahrzeug zu warten, hätte eine Wartezeit von mehreren Stunden bedeutet. Wie beschrieben ereignete sich der Unfall in der Mitte vom Nichts. Kein Telefonnetzwerk. Kein Haus weit und breit. An Schlaf kann ich nicht mehr denken und zähle in den weiteren Stunden bis zum Morgengrauen 4! Fahrzeuge, die uns begegnen.

Mit deutlicher Verspätung erreiche ich das Ziel. Wie San Carlos de Bariloche liegt auch El Calafate an einem See, dem Lago Argentino, und ist sehr stark vom Tourismus geprägt. Einst Versorgungsstation für die umliegenden Wollproduzenten gewann die Stadt durch die Errichtung des circa 60 km entfernten Nationalparks in den 1940er Jahren seine heutige Bedeutung. Ich schließe mich einer der Touren zu dem Park an und werde am Ende nicht enttäuscht sein. Beginnt die Tour noch in dichtem und feuchtem Nebel, klart es sich mit Eintreffen im Park ein bisschen auf. Die Bootsfahrt bis dicht vor die Gletscherfront ermöglicht einen nur schemenhaften Blick auf die teilweise 60m hohen Eissäulen.

Doch bei dem Spaziergang über die Aussichtsterrassen zeigt das Wetter ein Einsehen und mit einem Schlag werden große Teile der Eismassen freigelegt. Nur die frostigen Temperaturen hindern mich ein wenig daran, dass mir wegen der sensationellen Aussicht richtig warm ums Herz wird..

Mein Herz hüpft dann aber vor Vorfreude, als ich wiederum den Bus besteige – er wird mich die letzten 1.020 km Richtung Süden bringen – zum Ende der Welt. Nach Ushuaia. Seit Ewigkeiten sehne ich mich nach einem Besuch der südlichsten Stadt der Welt, ist es doch ein Lebenstraum von mir, an alle 4 Enden und auf das Dach der Welt gereist zu sein. Am Westlichen und Östlichen Ende war ich bereits, jetzt folgt eben das Südliche. Und wie bei den vorangegangenen Etappen ist alleine der Weg schon spannend. Durch abgeschiedene Landstriche, riesige und karge Ebenen bahnt sich der Bus durch das einzigartige Feuerland seinen Weg. Auf dem Weg nach Ushuaia durchfahre ich auch für wenige Stunden das Land Chile. Aber nicht nur diese geografisch bedingte Besonderheit wartet, sondern auch das Übersetzen des Busses mit einer Fähre – an einem Küstenabschnitt, dessen einsame Schönheit und Stille für Fernwehliebhaber ein Mekka sein sollte.

Doch dann, endlich, erreiche ich das Ziel – el fin del mundo. Gänsehauterlebnis pur. Die circa 70.000 Einwohner zählende Siedlung ist umgeben von eisigen Wächtern. Die Bergkuppen sind stets in weiß gehüllt. Wie von einem Lineal-Strich getrennt, präsentieren sich die darunter liegenden Bäume in herbstlicher Stimmung. Der zentral gelegene Hafen ist in der Vergangenheit nicht nur Ausgangspunkt für zahlreiche Expeditionen Richtung Südpol gewesen, sondern ist auch für mich Startplatz für eine ausgedehnte Bootsfahrt auf dem Beagle-Kanal. Aus nächster Nähe betrachte ich Pinguine, Seelöwen und Komorane, die in Kolonien auf den kleinen Inseln in der Bucht sich von den Strapazen des Jagens erholen und den Nachwuchs behüten.

Das Wetter, dass sich sonst eher launisch zeigt und an einem Tag alle vier Jahreszeiten darstellen kann, zeigt sich von seiner besten Seite und bei der Rückfahrt liegt vor mir die Bucht in einem malerischen Sonnenuntergang. Ein für mich unvergessliches Erlebnis und mich sehr berührender Höhepunkt meiner bisherigen Reise.

Aber auch die Wanderung in dem der Stadt nahe gelegenen Nationalpark ist sehr einprägend. Die besondere, den südlichen Breitengraden hervorragend angepasste Fauna, bereitet sich auf die kurz bevorstehende Winterzeit vor und die gefallenen, rostfarbenen Blätter bilden einen Teppich, der selbst die Töne meiner Schritte verschlingt. Nur das Prasseln des Regens verhindert eine vollkommene Stille. Dennoch ist der Ort mystisch, geheimnisvoll und mitunter auch ein bisschen unheimlich. Kein Mensch weit und breit – an dem gesamten Tag begegnen mir gerade mal 8 weitere Menschen in den Weiten – und eisige Temperaturen. Dazu die in Nebel gehüllte Berge. Eine unwirkliche Gegend. Selbst die Bäume stehen teilweise dicht gedrängt beieinander um sich scheinbar, ähnlich wie die Pinguine, gegenseitig Wärme spenden zu können. Ein einsamer Wald am Ende der Welt..

In diesem Park ist auch der Startpunkt der Nationalstraße Nr. 3 zu finden. Diese ist Teil eines Straßennetzwerkes, was auch unter dem Namen Panamericana bekannt ist. Diese werde ich auf meinem Weg Richtung Norden Südamerikas fleißig bereisen. Doch dazu später mehr.

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Zurück in der Zivilisation sammele ich fleißig Stempel in meinem Reisepass, die meinen Besuch von Ushuaia beurkunden, besichtige die Museen, laufe und laufe, sauge die Magie der Stadt in mich auf, speichere die gesehenen Bilder in meinem Gedächtnis, und selbstverständlich auch auf der Speicherkarte meiner Kamera ab und erfreue mich einfach meines Glücks, hier gewesen zu sein.

Am liebsten soll dieser Augenblick nicht enden und der Abschied fällt mir schwer. Doch es geht weiter und ich suche wärmere Regionen auf. Die Provinz Mendoza, an den Anden gelegen, ist mein nächstes Ziel. Ich werde berichten.

Glückselige Grüße vom fin del mundo, Thilo

(siehe auch: Stationen und Distanzen)


4 Gedanken zu “Durch Patagonien und Feuerland zum Ende der Welt..

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