Meine ersten, circa 1.300 km durch Argentinien führen mich von den Iguazu-Wasserfällen nach Buenos Aires, der Stadt der guten Lüfte und Hauptstadt des siebtgrößten Landes der Erde. Rund 13 Millionen Menschen bevölkern die Metropolregion, deren Zentrum nicht nur für seine schicke Architektur, sondern auch als Wiege des Tangos bekannt ist.
Die Fahrt in dem Reisebus geht von der brasilianischen Grenze durch sehr grüne und hügelige Gegenden, die sich mit zunehmender Annäherung an die am Ufer des Rio de la Plata gelegene Stadt abflachen und bei Ankunft an die Umgebung von dem am anderen Ufer situierten Montevideo erinnern. Hauptunterschied zur uruguayischen Hauptstadt ist zunächst der chaotisch wirkende Verkehr, der bereits in den frühen Morgenstunden die Peripherien verstopft und ein Vorwärtskommen so gut wie unmöglich macht.
Nach den 16 Stunden Fahrt sehne ich mich aber nach Ankommen und nach der Möglichkeit, die Stadt in Augenschein zu nehmen und zu erobern. Meine Unterkunft beziehe ich in dem ehemals jüdischen Stadtteil Villa Crespo – in einem typischen Stadthaus bestehend aus zwei Etagen, hohen Fenstern und Räumen und superfreundlichen Gastgebern. Die Strapazen der Reise sind sofort vergessen. Von dieser Basis aus streife ich die folgenden Tage durch die Stadt. Und diese hat so viel zu bieten.
Alleine auf dem zentralen Plaza de Mayo (gilt als Gründungsort der Stadt) mit dem Präsidentenpalast, dem Casa Rosada, gilt es die Pirámide de Mayo, das Cabildo (einst Regierungsgebäude und heute Museum) und die Catedral Metropolitana (Santísima Trinidad) de Buenos Aires zu entdecken.
Zahlreiche Plätze wie der Plaza San Martin, Plaza Italia und Plaza de Congreso, Gebäude wie das Teatro Colón oder Néstor Kirchner Kulturzentrum, Bauwerke wie der Obelisk auf dem Plaza de la República an der Avenida 9 de Julio (gigantische Prachtmeile und Herz der Stadt), die im Hafen gelegene Puente de la Mujer und die Floralis Genérica gilt es zu bestaunen.
Viele Museen und Kulturzentren locken mit breit gefächertem Kunstangebot, und freien Eintritten. Besonders beeindruckend für mich ist die Sammlung des Museo Nacional de Bellas Artes (südamerikanische Kunst) und des Centro Cultural Recoleta (Moderne).
In unmittelbarer Nähe zu diesem liegt auf dem mit seinen kleinen Palästen und Kathedralen bebauten Friedhof La Recoleta das „Who is Who“ argentinischer Industrieller, Politiker, Kriegsherren, Intellektueller und Künstler begraben – besonderer Anziehungspunkt ist das Grabmal der „Evita“.
Die Liste der Sehenswürdigkeiten lässt sich beliebig fortsetzen. Alleine die verschiedenen Stadtteile wie San Telmo, Recoleta, Belgrano, La Boca, Puerto Madeira oder Balvanera laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein und bieten dem Betrachter differenzierte Bilder an Kultur und Lebensweise. Zum Ausdruck kommt diese natürlich auch durch den Tango. Die lustvolle und erotisch schöne Art des Tanzes wird gerne in den Abendstunden auf Plätzen und in den Fußgängerpassagen gelebt – sei es durch Tanzschulen oder private Paare, die sich zum Rhythmus der Musik in Ekstase schwingen und bei den Akteuren sowie bei Zuschauern träumerisch sehnsuchtsvolle Blicke erzeugen. Buenos Aires ist für mich wahrlich die Stadt des Tangos.
Architektonisch verdient die Stadt vollkommen zurecht den Namen „Paris Südamerikas“ – immer wieder fühle ich mich an meine dreijährige Zeit in Paris zurückversetzt und bestaune die Baugleichheit mit der französischen Hauptstadt. Dazwischen tummeln sich unheimlich viele Menschen, zig Busse und Autos dominieren die Straßen. Glücklicherweise gibt es eine Metro, die ein wenig für Entlastung sorgt. Wenn nicht gestreikt wird. An meinem letzten Tag ist ein Generalstreik ausgerufen – und wider erwarten ist die Stadt nicht mit Autos überlastet – ein Großteil der Menschen nutzt die Gelegenheit zu einem freien Tag. Mein Taten- und Entdeckerdrang treibt mich an und so laufe ich alleine an diesem Tag 25 km durch die Stadt. Ein wunderschönes Erlebnis!
Von diesen Strecken kann ich mich auf der 1.500 km langen Fahrt in den Norden des Landes nach Salta genügend ausruhen. Motivation dieser Reise ist weniger die rund 500.000 Einwohner zählende Stadt selbst, sondern ihre geografische Lage: am Fuße der Anden, in einer Höhe von circa 1.200 Meter über NN. Einer meiner Lebensträume ist es, das große Gebirge Südamerikas zu sehen und diesen Wunsch erfülle ich mir jetzt.
Ich würde zu Unrecht behaupten, Salta hätte nicht viel Sehenswertes zu bieten. Im Gegenteil ist die durch stark indigene Einflüsse in Mensch und Bauweise geprägte Siedlung für mich das, was meiner Vorstellung von Südamerika am Ehesten entspricht. Voller Begeisterung entdecke ich für mich Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen unterschiedlichster Epochen.
Von hier aus fahre ich weiter in den Norden bis fast an die Chilenische Grenze zu dem Dorf Purmamarca, was bereits auf einer Höhe von 2.200 Meter über NN liegt. Bekannt ist es für die bunten Steinformationen und insbesondere den „Berg der 7 Farben“. Eine wirklich koloristische Übertreibung der Natur, die aufgrund von Ablagerungen von Sedimenten und tektonischen Verschiebungen über Jahrmillionen zu Stande kommt.
Noch weiter nördlich, nicht unweit der Bolivianischen Grenze entfernt, treffe ich dann in der auf 3.000 Meter über NN gelegenen Ortschaft Humahuaca ein, die sich durch zahlreiche im Kolonialstil errichteten Gebäude auszeichnet, die zur Hochzeit der auch noch heute tätigen Mine in der Nachbarschaft die Bessergestellten der damaligen Gesellschaft beherbergten.#
Entlang der meist nicht asphaltierten Straßen hat sich die Natur neben der bunten Gesteinsmassen auch die entsprechende Flora einfallen lassen und so zieren statt Bäumen unterschiedliche Kakteen die Hänge der Berge. Auch die des höchsten Massivs von circa 4.200 Meter Höhe. Ich fühle mich schon sehr glücklich, all das sehen zu können. Dabei werde ich noch die Länder Chile, Peru, Bolivien und Ecuador zu sehen bekommen – und dort erwarten mich noch deutlich höhere Gipfel. Eine kleine Enttäuschung gibt es dann aber doch: der Zug in die Wolken, der „tren a las nubes“, den ich unbedingt fahren wollte, bietet den Touristen nur noch eine Fahrt auf einer Strecke von 10 km an, für astronomisch hohe Preise. Bei aller Liebe zur Eisenbahnromantik nehme ich von dieser Option Abstand,
Dennoch: Mit der Freude über das Gesehene und der Vorfreude auf das noch Kommende führt mich mein Weg zunächst in das nur 900 km entfernte, südlich gelegene Cordoba. Die mit 1,3 Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes wird für die nächsten zweieinhalb Wochen meine Heimat werden, habe ich doch hier eine bestimmte Mission zu erfüllen: ich habe mich bei einer Sprachschule angemeldet und bin bemüht, die Grundkenntnisse der Spanischen Sprache zu erlangen. Neben den täglichen Kursen entdecke ich wie selbstverständlich die ausgesprochen gepflegte Stadt und versuche, die erworbenen Sprachkenntnisse in kleinen Konversationen umgehend einzusetzen.
Die kleinen Künstlermärkte, die abends mit Lichteffekten toll in Szene gesetzten historischen Gebäude, die Museen und Plätze, die Flüsse und Parkanlagen, die tanzwütigen Menschen und ihr Hang, die Nacht zum Tag werden zu lassen sind eine gelungene Symbiose.
Mir gefällt es hier ausgesprochen gut. Eigentlich sollte mir der Abschied, erst recht wegen der vielen lieben Leute, die ich hier getroffen habe, schwer fallen, aber es geht in Gefilde, die eine enorme Anziehungskraft auf mich ausüben: es geht für mich weiter gen Süden, Richtung Patagonien. Und von dort werde ich wieder berichten..
Euer Thilo
(sie auch: Stationen und Distanzen)
3 Gedanken zu “Buenos Aires, Salta und Cordoba in spezieller Mission..”