Nach diesem tollen Erlebnis von Karneval in Rio und dem sagenhaften Blick auf Cristo Redentor suche ich mir jetzt ein Ziel, dass eine nicht minder schöne Aussicht zu bieten hat und reise deshalb nach Belo Horizonte. Der Name der Stadt suggeriert mir „Betrachtung der Ferne“ und so nehme ich die 7 Stunden Fahrt und die 450 km Fahrt auf mich. Nach den riesigen Metropolen Sao Paulo und Rio de Janeiro wirkt Belo Horizonte mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern im Ballungszentrum fast schon beschaulich und übersichtlich. Die Übersicht kann ich mir von meiner Unterkunft fast schon mit einem Blick aus dem Fenster verschaffen, liegt diese doch auf einem der die Stadt umgebenden Hügel, welche die Stadt von allen Seiten einzukesseln scheinen. Diese Hügel und damit auch die Straßen sind manchmal so steil, dass die Autos nur mit durchdrehenden Reifen anfahren können und die Fußgänger in Serpentinen die Steigung der Bürgersteige erklimmen. Ich bin bereit, diese Anstrengung in Kauf zu nehmen und erlaufe mir die Stadt. So entdecke ich den Praça da Liberdade, die Hauptstraße der Stadt Avenida Afonso Pena, die Igreja São José und das Memorial Minas Gerais Vale.
An dieser Stelle möchte ich gerne lobend erwähnen, dass in den meisten Städten Brasiliens der Eintritt in die Museen kostenfrei ist, damit Bildung und Anschauung der Geschichte des Landes keine Frage des Geldes ist – ein Beispiel, dass meines Erachtens mehr Nachahmung erfahren kann.
Neben vielen weiteren historischen Gebäuden zieht es mich dann aber auch zu dem Mercado Central, der für mich eine kulinarische Spielwiese ist, werden hier doch zahlreiche Speisen und Getränke dem Passanten zur Kostprobe angeboten. Ähnlich geht es dann auch auf dem alternativen Markt auf der Avenida Afonso Pena zu, die extra für dieses Event am Sonntag für den Verkehr gesperrt ist und für die Einwohner und Touristen ein besonderes Ausflugsziel darstellt.
In dem direkt daneben liegenden Stadtpark kann man nicht nur an diesem Tag Ruhe und Entspannung finden, trifft sich mit anderen Sportbegeisterten zum Fußballspielen oder stattet den dort häufig vorkommenden, achtbeinigen Parkbewohnern einen Besuch ab.
Mein ortskundiger und absolut liebenswerter Stadtführer und Nachbar meiner Unterkunft, Renato, geleitet mich zur Krönung seiner Stadtführung zum Praça Johannes Paul (Memorial für den einstigen Papst, der an dieser Stelle eine Messe gelesen hat), dem höchst gelegenen Aussichtspunkt der Stadt. Der Blick über die hübsche und sehenswerte Stadt ist einfach sagenhaft und ich blicke tatsächlich bis zum Horizont..
Belo Horizonte als Basis nutzend unternehme ich auch einen Tagesausflug – nach Ouro Preto. Es ist eine kleine Reise in die Geschichte des Landes zu einem Ort, der vor circa 200 Jahren aufgrund eines Goldfundes erst Abenteurer und Schürfer anlockte und dann zu beträchtlichem Reichtum kam. Dieser Reichtum ist an den gut erhaltenen Gebäuden an fast jeder Ecke Ouro Pretos zu sehen, das zu seiner Hochzeit sogar die größte Stadt der neuen Welt gewesen war.
Heute lebt die Stadt noch immer von ein paar wenigen Goldminen aber überwiegend vom Tourismus. Wie in Belo Horizonte liegt auch dieser Ort auf zahlreichen Hügeln. Ich möchte mir das Museu Casa dos Contos (Stadtgeschichte), die zahlreichen barocken Kirchen, den zentralen Praça Tiradentes und das danebenliegende Museu da Inconfidência (zur Erinnerung an eine Unabhängigkeitsbewegung) ansehen und laufe den ganzen Tag die steilen Straßen hinauf und herunter. Es lohnt sich..
Nach dem Ausflug in die Vergangenheit mit ihrer barocken Architektur beschließe ich, in die Moderne zu reisen. Brasilia, die Hauptstadt des Landes. Eine Station meiner Reise, auf die ich mich schon seit Jahren freue.
Nicht nur, dass Brasilia zunächst auf dem Zeichentisch entstanden ist und somit eine Klarheit in der Organisation und Struktur erhalten hat, ist für mich von großem Interesse. Die Hauptstadt erzeugt bei mir deswegen unendliche Neugier, weil sie architektonisch von einem Künstler und Schöpfer, Oscar Niemeyer, mit wahren Schätzen der Baukunst überschüttet worden ist. Dieser große Baumeister verleiht der ohnehin schon außergewöhnlichen Stadt eine Einzigartigkeit, die an Geschmack, Stil, Eleganz, Formgebung, Futurismus und zugleich Zeitlosigkeit nicht zu überbieten ist.
Deswegen versuche ich auch gar nicht, diese Schönheit mit Worten zu beschreiben sondern zeige nur eine Auswahl an Bildern.
Wie ich aus den Gesprächen mit meiner Gastgeberin und ihren Freunden erfahre, sind diese sich der Besonderheit dieser Stadt bewusst, lebt es sich doch dort wie auf einer Insel, die die Realität des restlichen Landes in die Ferne rücken lässt. Armut gibt es hier nur in einem kaum wahrzunehmenden Maße. Das Stadtbild wird fast ausschließlich durch Menschen in Anzügen und Kostümen geprägt, die geschäftig zu den zahlreichen Ministerien eilen oder als Repräsentanten einer Stadt oder Gemeinde, einer Volksgruppe oder anderer Organisationen aus ganz Brasilien anreisen, um die Interessen zu vertreten. Das fünft größte Land der Welt mit seinen über 200 Millionen Menschen wird von hier gesteuert, gelenkt und seine Zukunft, nicht nur im architektonischen Sinne, gebaut. Eine schillernde Welt und Stadt, losgelöst von den alltäglichen Problemen in den Gemeinden des Landes – eine tolle Erfahrung und Erfüllung eines Traums.
Wie es um die Realität, fern der großen Städte, wirklich bestellt ist schaue ich mir in Rondonópolis an. Es ist eine verhältnismäßig kleine Stadt im Staat Mato Grosso, in der ein Mann seit über 50 Jahren in besonderer Mission unterwegs ist und, fern der Politik, ein besonderes Werk errichtet.
Ich freue mich auf die Begegnung mit ihm – und werde berichten..
Euer Thilo
(siehe auch: Stationen und Distanzen)
Ein Gedanke zu “Eine Stadt mit schönem Horizont, eine barocke Stadt und die Hauptstadt..”